Praxisteil 4 – Schlussgedanken

Ich habe hier jeden Arbeitsschritt und jede Variante ausführlich erläutert, damit du meine Gedanken nachvollziehen kannst. In der Praxis geht das natürlich viel schneller, mir selber muss ich ja meine Gedanken nicht erklären. Und nicht immer muss ich mir so viele Gedanken machen, bis mir ein Limerick gefällt. Wichtig ist mir vor allem, dir nahezulegen, dass das erste Ergebnis selten perfekt ist und auch nicht den Anspruch haben sollte. Manchmal schafft man es in kürzester Zeit, einen Knaller aus dem Ärmel zu zaubern, der keiner Überarbeitung mehr bedarf, aber das ist eher die Ausnahme. Manche Limericks muss man sich mühsam erarbeiten. Doch es wird weit weniger anstrengend, wenn du nicht gleich den Anspruch hast, sofort fünf perfekte Zeilen zu schreiben. Schreibe zwanzig, fünfzig oder hundert Zeilen, ohne gleich die Qualitätskontrolle anzusetzen. Irgendwann wirst du merken, dass du Zeilen findest, die sich gut zusammenfügen. Erst dann kannst du die Qualitätskontrolle wieder aktivieren und deinen Limerick beim Feinschliff perfektionieren.

Von deinen vielen Gedanken, Ideen und Entwürfen bleiben am Schluss nur fünf Zeilen übrig. Und wenn die es schaffen, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sie zu überraschen, sie sogar zum Lachen oder Nachdenken zu bringen, dann war es die Arbeit wert!

Limerick-Tipps

  • Suche dir einen Ortsnamen (wenn es ein „klassischer“ Limerick werden soll), auf den es mindestens zwei Reime gibt. Am Anfang sind Orte mit vielen möglichen Reimen jedoch besser.
  • Wenn du Schwierigkeiten hast, gute Reime zu finden, nutze ein Reimlexikon. Aber pass auf, dass du die Reime nicht „des Reimes wegen“ nutzt, sondern sie die Geschichte unterstützen und Sinn ergeben. Online-Reimlexika sind meist unbrauchbar und liefern falsche Ergebnisse – mit Ausnahme des Reim-Features von wiktionary.org.
  • Versuche ein eindeutiges Bild mit aktiven Handlungen zu zeichnen (Kopfkino!), vermeide abstrakte oder diffuse Beschreibungen.
  • Selbstkritik ist wichtig, aber hebe sie dir für den Feinschliff auf und sei offen für jede Idee.
  • Probiere verschiedene Varianten aus und schreibe dir alles auf, was dir in den Sinn kommt, die besten Ideen kommen manchmal unverhofft.
  • Zeilen, die noch holpern, kannst du ggf. später verbessern, wenn sie Potenzial haben.
  • Suche nach Synonymen, wenn ein Wort nicht ins Metrum passt, aber achte darauf, dass das Synonym auch wirklich passt.
  • Wenn du nicht weiterkommst, lege den Limerick beiseite und arbeite erst am nächsten Tag wieder daran.
  • Wenn du partout keine passenden Reime findest oder deine Idee einfach nicht ins Metrum passen will, probiere etwas anderes aus, wirf aber die alten Entwürfe noch nicht weg.

Limerick-Checkliste

  • Sind die Reime sauber?
  • Stimmen Metrum und Zeilenlängen?
  • Lies den Limerick laut und übertreibe die Betonungen. Sitzen sie richtig?
  • Lies den Limerick laut, ohne übertriebene Betonungen. Sei ehrlich: Klingt er gut? Würde er dir gefallen, wenn ihn jemand anders geschrieben hätte? Stimmt die innere Logik? Passen die Begriffe oder merkt man, dass du ohne Rücksicht auf Verluste einen bestimmten Reim unterbringen wolltest? Ist die Sprache natürlich? Ist die Grammatik korrekt? Wirkt die Pointe? Ist der Limerick verständlich, wenn man ihn hört, ohne den Text vor sich zu haben?
  • Wenn du ihn noch nicht gut findest, probiere neue Varianten oder lass ein paar Tage, Wochen oder Monate verstreichen und arbeite in der Zeit an anderen Limericks, vielleicht kommt dir später eine neue Idee.

Mache das Limerickschreiben zu einer regelmäßigen Übung für zwischendurch. Tu das zunächst ohne die Absicht, deine Limericks zu veröffentlichen. Damit nimmst du dir den Druck und wirst bald Fortschritte machen. Es wird dir nach und nach immer leichter fallen, gelungene und witzige Limericks in kurzer Zeit zu produzieren.

Ich wünsche dir viel Spaß dabei und gute Reimreise!

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5 Kommentare zu „Praxisteil 4 – Schlussgedanken“

  1. Dem Limerickdichter bei Wien
    gefällt Limerix aus Berlin!
    Der Jens macht das spitze,
    reimt Ernstes und Witze –
    auch ich fühl‘ mich dichtungsaffin.

  2. Zum Tipp „Suche Ortsnamen und mindestens zwei geeignete Reime“.

    Gerade das obige Beispiel zeigt, dass Berlin und Wien als „Limerick – Partnerstädte“ besonders reizvoll sind, das hat geschichtliche und mentale Gründe. Diese beiden Metropolen liefern reichlich Stoff für Limericks, hier ein paar (hoffentlch gute) Beispiele:

    (Der einzig wahre Ursprung von „Halloween“)
    Es fuhr mal Graf Bobby aus Wien,
    zu seinem Cousin nach Berlin.
    Er hielt’s nicht lang aus,
    fuhr wieder nach Haus‘
    und sang: „here I come – Halloween!“

    (fruchtbare Mutter aus Wien . . . )
    Ein Mädchen, das hatte in Wien
    drei Kinder, und das mit sixteen.
    Es gab auch drei Väter,
    doch wollte sie später
    ‘nen preußische Kerl aus Berlin.

    (. . . oder aus Berlin)
    Es bekam eine Frau in Berlin
    schon das dritte Kind, und das als Teen.
    Und es gab auch drei Väter,
    doch die Frau wollte später
    noch drei weitere Männer aus Wien.

    Noch reizvoller sind Ortsnamen, bei denen die Reimsuche und die Geschichtensuche problematisch erscheinen, zum Beispiel Rotterdam und Großwendern:

    Es gab eine Dame in Rotterdam,
    die ebenso schnell wie ein Otter schwamm.
    Man war sehr verwundert,
    denn sie war fast 100
    und hatte auch viel Harry – Potter – Kram.

    (Die einfachste Genderlösung)
    Beim Deutschlehrertreff in Großwendern
    beschloss man de Sprache zu ändern:
    Nur „de” als Begleiter,
    de Schüler sehen‘s heiter.
    De Redner, de brauchen nicht gendern.

  3. Hallo Herr Ohrenblicker,
    Als lang jähriger Limerick-Fan möchte ich nun auf diesem Weg
    (ist das der richtige Weg ?)
    zu dem lobenswerten Projekt etwas beisteuern:

    Éin Mädchen im schönen Catania
    Die datete mal einen Spanier.
    Der nahm sie gleich mit
    Und im Zug nach Madrid
    Da trieben sie’s schon in der Bahn, ja !

    Ein älterer Herr aus Kastilien
    Hatte Pech bei ’nem Weib aus Sizilien.
    Er gab ihr Geranien-
    Das ist üblich in Spanien-
    Doch die Dame, die mochte nur Lilien.

    Ein Grabscher im schönen Meran
    Der grabschte die Frauen gern an.
    Naja, aber bald
    Bekam er eine geknallt.
    Da ließ er das Grabschen, der Mann.

    -Wenn’s gefällt, gern mehr ?

    Gruß

    Klaus Gehrmann

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