Die Zeilenlängen beim Limerick

Die unterschiedlichen Zeilenlängen sind wesentlich für die Dramaturgie eines Limericks: Während die ersten beiden Zeilen fast schon bedächtig in die Geschichte einführen und auch Zeit für eine Atempause am Zeilenende lassen, verdichtet sich die Handlung in den darauffolgenden Zeilen, der Limerick zieht das Tempo an, um dann am Schluss wieder in etwas ruhigeren Gewässern zum Stehen zu kommen. Und genau deshalb ist es wichtig, dass die Regeln für Metrum und Zeilenlängen eingehalten werden, denn dieser Ablauf macht den Limerick erst zum Limerick.

Die Länge der Zeilen kann man weder in Anzahl der Wörter noch Anzahl der Silben messen, denn auch letztere kann beim Limerick variieren.

Ein wichtiges Erkennungsmerkmal, ob eine Zeile passt, ist die Anzahl der betonten Silben. Ich habe ja schon geschrieben, dass in einer Limerickzeile zwischen zwei betonten Silben zwei unbetonte liegen müssen. Dann lässt sich feststellen:

a) Die Zeilen 1, 2 und 5 haben drei betonte Silben.
(da,) da, di, da, da, di, da, da, di, (da, da)

b) Die Zeilen 3 und 4 haben zwei betonte Silben.
(da,) da, di, da, da, di, (da)

Falsch wären als Anfangszeilen:

Ein richtiger Limerick hat bloß fünf Zeilen,
man muss da oft länger geduldig dran feilen.

Das Metrum ist hier korrekt, aber für einen Limerick gibt es jeweils eine Betonung zu viel, die Zeilen haben Überlänge.

Die Zeilen 3 bis 5 sollten außerdem bei den Übergängen nicht mehr als zwei unbetonte Silben haben, denn sonst gerät man ins Stolpern. Während nach den Zeilen 1 und 2 noch eine Atempause kommt, werden 3, 4 und 5 hintereinander gelesen:

Ein Limerick hat bloß fünf Zeilen, * * *
man muss da oft länger dran feilen. * * *
Doch trägst du ihn vor * | und geht er ins Ohr, * | darfst du ihn im Internet teilen.

Berücksichtigt man die Pausen und liest man einen Limerick zu einem Metronom, so sind die Zeilen 3 und 4 zusammen genauso lang wie eine der anderen Zeilen. Die Sternchen symbolisieren einen leeren Metronom-Tick, der hier nicht mit Text besetzt wird. Du erkennst die drei Ticks Atempause am Ende der Zeilen 1 und 2. Die Länge der Pausen ist von Limerick zu Limerick unterschiedlich, aber falsch wäre es, alle Ticks zu besetzen, denn die Pausen gehören in den ersten beiden Zeilen dazu und die Zeile darf nicht mehr als drei Betonungen haben!

Anmerkung
Das alles gilt für das Schreiben eines Limericks, nicht für den Vortrag. Ein Metronom ist nützlich, um einen Limerick auf die richtige Metrik zu überprüfen. Beim Vortrag eines Limericks solltest du nicht ganz so stur im Takt lesen, kleine Pausen und Tempowechsel machen den Vortrag erst lebendig. Man kann beispielsweise mit einer minimalen Pause vor der Schlusszeile die Pointe noch etwas wirkungsvoller in Szene setzen.

Die Pausen in den restlichen Zeilen sind optional und, wenn es überhaupt welche gibt, kürzer. Man kann den Text hier auch lückenlos durchlaufen lassen: Nach „vor“ und nach „Ohr“ ist noch ein Platz frei. Man könnte die letzten drei Zeilen auch so schreiben:

Doch hat er noch Mängel
und Silbengedrängel,
dann solltest du ihn noch nicht teilen.

Hier ist gar keine Pause mehr zwischen den Zeilen 3 bis 5. Vor allem der bekannte Limerick-Dichter Edward Lear (1812 – 1888) ließ zwischen den letzten drei Zeilen nur selten eine Pause. Das bewirkt, dass die Geschichte gefühlt an Tempo zulegt.

Problematisch wird es, wenn bei den Zeilenübergängen zwischen 3 und 4 sowie 4 und 5 mehr als zwei unbetonte Silben stehen, das ist so, als wenn sich auf einen Zweier-U-Bahn-Sitz drei Leute quetschen würden:

Doch hat er noch Mängel
und Silbengedrän-gel,
wer-den sich wohl die Zeilen verkeilen.

Hier müsste das Verb „werden“ doppelt so schnell gesprochen werden, um im Takt zu bleiben, davon abgesehen, dass die Betonung auf „sich“ nicht sehr elegant klingt.

Achte deshalb beim Feinschliff des Limericks darauf, dass sich in den letzten Zeilenübergängen nichts quetscht. Im nächsten Absatz zeige ich dir ein Hilfsmittel, mit dem du diese Schönheitsfehler vermeiden kannst.

Die Limerick-Tabelle »

« zurück zu „Metrum“

1 Kommentar zu „Die Zeilenlängen beim Limerick“

  1. Hallo Jens,

    deine Ausführungen zu den Themen „Metrum“ und „Zeilenlänge“ sind sehr anschaulich und hilfreich. Wenn du jetzt noch mit den passenden Noten arbeitest, dann bekommst du das Problem mit der Silbenänge auch noch hin. Ich denke mal, ich habe das Problem auf meiner Homepage in den Griff bekommen, wobei in dem Ganzen wahnsinnig viel Arbeit steckt, aber das weißt du ja selber. Das Video „Limericks – Teil 3″ wird dir sicherlich gefallen https://www.youtube.com/watch?v=av86ZhKppp8 , mehr dazu auf meiner Website.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen