Das Metrum beim Limerick

Es war mal eine Dichterin aus den Niederlanden,
die hatte das mit dem Metrum nicht verstanden.
Ihre Verse holperten,
humpelten und stolperten.
So ritt sie den Limerick brutal zuschanden.

Wenn du obige Zeilen irrigerweise für einen Limerick halten solltest, dann ist dieses Kapitel besonders wichtig für dich. Hier geht es um das Versmaß bzw. das Metrum eines Limericks! Wenn Reime und eine pointierte Geschichte die Seele eines Limericks sind, ist das Metrum der Herzschlag. Und ein Limerick mit Herzrhythmusstörungen ist nicht einmal unfreiwillig komisch!

Vielleicht kennst du aus der Schule noch Begriffe wie Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst, die dir dein Deutschlehrer mit erhabener Miene an die Tafel gekritzelt hat, wenn es darum ging, Gedichte zu analysieren und dir auch das letzte bisschen Freude am Lesen von Lyrik auszutreiben. Vergiss sie! Wir nähern uns dem Versmaß des Limericks musikalisch, das ist intuitiver und kommt auch ohne griechische Fachbegriffe aus!

Das Metrum hat in der Musik einen hohen Stellenwert (es gibt auch Musik, die ohne Metrum auskommt, was aber in unserem Kulturkreis eher selten ist). Es ist gewissermaßen das Ticken des Metronoms, das wir im Kopf haben, wenn wir ein Instrument spielen oder singen, um im Takt zu bleiben. Ein Metronom ist ein Gerät, ob mechanisch oder elektronisch, das unaufhörlich und monoton vor sich hin tickt, ähnlich wie eine Standuhr, nur dass man beim Metronom das Tempo variieren kann.

Hörbeispiel: Metronom mit verschiedenen Tempi

Genauso stur tickt das Limerick-Metronom. Stell dir ein Metronom vor, das dreimal pro Sekunde tickt und auf jedem Sekundenwechsel einen kleinen Akzent hat:

tick, tack, tack, tick, tack, tack, tick, tack, tack, tick, tack, tack, tick

Auf diesen Grundbeat kannst du nun deine Limerick-Zeilen aufbauen: Jede dritte Silbe hat eine Betonung. Es ist nicht erforderlich, mit einer betonten Silbe anzufangen, das ist beim Limerick sogar unüblich. Er fängt meist mit einer oder seltener zwei unbetonten Silben an. In der Musik kennt man das als „Auftakt“, es könnte z.B. so aussehen:

tack, tick, tack, tack, tick, tack, tack, tick, tack …

Es ändert nichts an unserem Metronom, denn nach jedem Tick kommen immer zwei Tack, unabhängig davon, wann wir mit dem Vers einsteigen. Wichtig ist daher, dass in der Limerickzeile nicht mehr, aber auch nicht weniger als zwei unbetonte Silben zwischen zwei betonten Silben stehen.

Ein Limerick ohne Inhalt könnte wie folgt aussehen, ich benutze die Silben „di“ und „da“, da sie melodischer klingen als „tick“ und „tack“, das Prinzip ist dasselbe:

Da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di, da, da, di, da

Im folgenden Hörbeispiel habe ich den Blindtext mit einem Beat unterlegt, der die Betonungen noch deutlicher macht als ein einfaches Metronom:

Auch diese Variante kommt häufig vor, hier enden die Zeilen mit einer betonten Silbe:

Da, di, da, da, di, da, da, di
Da, di, da, da, di, da, da, di
Da, di, da, da, di
Da, di, da, da, di
Da, di, da, da, di, da, da, di

Man kann auch Mischformen aus diesen Varianten bilden, z.B.:

Da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, di, da, da, di
Da, da, di, da, da, di
Da, di, da, da, di, da, da, di, da

Hier sieht man, dass die vierte Zeile mit zwei unbetonten Silben anfängt. Das darf man natürlich auch in anderen Zeilen machen:

Da, da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, da, di, da, da, di, da, da, di, da
Da, da, di, da, da, di
Da, da, di, da, da, di
Da, da, di, da, da, di, da, da, di, da

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, aber wir wollen jetzt erst mal die Zeilen mit Text füllen. Nehmen wir noch mal das Beispiel vom Anfang:

Ein Limerick hat bloß fünf Zeilen,
man muss da oft länger dran feilen.
Doch trägst du ihn vor
und geht er ins Ohr,
darfst du ihn im Internet teilen.

Versuche den Limerick im Hörbeispiel mitzusprechen. Merkst du, wo die Schwerpunkte liegen und welche Silben unbetont sind? Sprich den Limerick noch einmal ohne das Hörbeispiel und höre dabei auf dein inneres Metronom.

Aber wie entstehen die Betonungen überhaupt und warum ist es so wichtig, die richtigen Wörter an die richtige Stelle zu setzen?

Jedes mehrsilbige Wort hat betonte und unbetonte Silben. Im Deutschen betonen wir oft, aber längst nicht immer auf der ersten Silbe. Die Wörter Limerick, Zeilen, länger, feilen, Internet haben alle eine Betonung auf der ersten Silbe. Die Betonung erkennt man daran, dass die Stimmmelodie bei der folgenden Silbe nach unten geht. Wenn du noch Schwierigkeiten hast, das nachzuvollziehen, sprich die Wörter laut aus und achte dabei auf die Melodie deiner Stimme.

Beispiele für eine Betonung auf der zweiten Silbe sind Computer, Barista, Konfetti, Verband, geschlagen, begeistert und überhaupt Wörter mit Vorsilben wie „ver-“, „zer-“, „ge-“, „be-“ usw.

Die Wörter Kommunist, Kapital, Chloroform, Kondolenz, Amphetamin, Geometrie und jede Menge andere, viele davon Fremdwörter, werden auf der letzten Silbe betont.

Du kannst ja mal versuchen, Wörter bewusst falsch zu betonen, indem du deine Stimme auf einer anderen Silbe erhebst: Internet oder Internet, Zeilen, feilen.

Klingt doof? Ja, aber es gibt gescheiterte Limericks, die genau das machen, würde man sie streng nach unserem Metronom betonen! Beim Kinderlied vom Tomatensalat wird das als Stilmittel benutzt, hier verschieben sich die Silben und damit die Betonungen im Verhältnis zur Melodie und die dadurch entstehenden falschen Betonungen können einem beim Singen ganz schön ins Stolpern bringen:

Merke
Es ist beim Reimen immens wichtig, ein Gefühl für Betonungen zu entwickeln und die Wörter für einen Limerick so auszuwählen und aneinanderzufügen, dass unser Metrum nicht ins Stolpern gerät.

Es gibt nämlich auch Wörter, die in einem Limerick keine Chance haben, weil sie nicht über das passende Metrum verfügen. Es sind Wörter mit mindestens vier Silben Länge und weniger als zwei unbetonten Silben zwischen zwei betonten:

Gartenhäuschen, Rattenfänger, Fliesenlegerin, Fahrradwerkstatt, Wirtschaftsweise, Donaudampfschiff und viele mehr. Hier heißt es: Wir müssen draußen bleiben, zumindest beim Limerick!

Hier kommt noch die Lösung für unseren Beispiel-Limerick:

Ein Limerick hat bloß fünf Zeilen,
man muss da oft länger dran feilen.
Doch trägst du ihn vor
und geht er ins Ohr,
darfst du ihn im Internet teilen.

Reduziert auf die Betonungen sieht es dann so aus:

da, di, da, da, di, da, da, di, da,
da, di, da, da, di, da, da, di, da
da, di, da, da, di
da, di, da, da, di
da, di, da, da, di, da, da, di, da

Betonungen funktionieren in Gedichten ein wenig anders als in der gesprochenen Sprache. Wenn ich die Sätze sprechen würde, als wären sie ein Prosatext, dann würde ich „hat“, „muss“; „länger“, „trägst“, „geht“, und „du“ eher nicht betonen. Und auch beim Gedichtvortrag würde ich diese Wörter allenfalls nur leicht betonen. Du kannst dir die Folgen des Limerix-Podcasts mal unter diesem Aspekt anhören.

Es geht beim Gedicht mehr um die gefühlte Betonung, unser inneres Metronom. Es ist eher musikalisch gedacht, als dass es mit natürlichem Sprechen zu tun hätte. Wenn wir beim Vortrag eines Gedichts die betonten Silben zu stark hervorheben, klingt es heruntergeleiert und unnatürlich:

Im folgenden Hörbeispiel habe ich den Limerick natürlicher gesprochen. Die Sprachmelodie variiert und auch der Takt wird nicht so streng eingehalten:

Während der Arbeit an einem Limerick ist es aber gerade gut, ihn auch mal laut herunterzuleiern, um zu sehen, ob die Betonungen an den richtigen Stellen sitzen. Erfahrene können das im Kopf, aber wenn du damit noch Schwierigkeiten hast, lies deinen Limerick immer mal wieder laut, während du daran arbeitest.

Wenn du noch unsicher mit dem Metrum bist, vergiss erst mal die Reime und versuche Sätze zu schreiben, bei denen du vor allem auf das korrekte Metrum achtest, z.B. sowas:

Die Autoverkäuferin saß in der Kneipe. Sie trank einen Schnaps und bestellte dann noch einen Eierlikör.

Erst wenn dir das nicht mehr schwer fällt, kannst du dich um den Rest kümmern. Ein schönes Beispiel für diese Art „metrische Prosa“ ist der Text „Ich glaub‘, es geht los“ von Sebastian Krämer. An ganz wenigen Stellen weicht er vom ansonsten sehr konsequent durchgezogenen Dreiermetrum ab. Achte mal darauf, wo!

Sebastian Krämer - Ich glaub, es geht los!

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In der Folge Limericktrix – Metrische Prosa gehe ich näher auf diese Schreibtechnik ein und erkläre, wie du das Limerick-Metrum damit sehr gut verinnerlichen kannst, ohne dich um Reime und Zeilenlängen kümmern zu müssen.

Warum ich so viel Wert auf das perfekte Metrum lege? Schließlich halten sich auch manche Profis nicht immer hundertprozentig daran. Man kann lange darüber streiten, wie perfekt das Metrum bei einem Spaßgedicht sein muss. Fakt ist jedoch, dass ein Limerick, der sich nicht durchgehend ans Metrum hält, einen unbedarften Vorleser ins Stolpern bringen kann. Beim Humor ist das Timing ein wichtiger Faktor. Ein guter Limerick liest sich fast von selbst. Wenn man aber erst mal anfängt, darüber nachzudenken, wo denn wohl die Betonungen sitzen oder wenn man eine Betonung versehentlich falsch liest, hat ein Limerick bereits verloren.

Fazit:

Ein Limerick macht mir mit Versmaß
und sauberem Rhythmus viel mehr Spaß.
Ist’s Metrum kein Dreier
geht’s mir auf die Eier.
Drum achte aufs Versmaß, sonst wär’s das!

So viel an dieser Stelle zu den Betonungen. Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Limerick-Merkmal, denn wie dir vielleicht aufgefallen ist, sind nicht alle Zeilen gleich lang und das ist kein Zufall!

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