Die erste berühmt gewordene Sammlung von Limericks ist das Book Of Nonsense von Edward Lear aus dem 19. Jahrhundert. Bei Lear brachte die letzte Zeile fast immer eine Wiederholung des Reimworts der ersten Zeile, also einen sogenannten identischen Reim:
There was a Young Lady of Russia,
Who screamed so that no one could hush her;
Her screams were extreme,
no one heard such a scream
As was screamed by that Lady of Russia.
Das wirkt heute eher langweilig und vorhersehbar. Moderne Limericks überraschen am Schluss mit einer Pointe: Aber was ist eigentlich eine Pointe?
Stell dir vor, ein Feinschmecker isst ein Menü in einem Restaurant. Zum Nachtisch gibt es ein Soufflé, er isst auf, bezahlt und geht nach Hause. Wahrscheinlich reißt dich diese Geschichte nicht unbedingt aus dem Sessel oder du bist vielleicht schon eingeschlafen. Stoff für einen Limerick bietet sich erst dann, wenn etwas Überraschendes passiert. Diese Überraschung kann beim Limerick sowohl durch die Handlung als auch durch einen witzigen Reim erzeugt werden. Bei den besten Limericks gehen beide Techniken Hand in Hand. Dabei muss es gar nicht mal ein großes Ereignis sein, das die Überraschung auslöst:
Dem Feinschmecker Jürgen Dollase
verzierte ‘ne Nudel die Nase.
Doch erst beim Soufflé
fiel sie dem Gourmet
in seinen Kaffee und er sah se.
Die Pointe erzielt hier ihre Wirkung nicht nur durch das Bild des verdutzten Dollase, dem die Nudel in den Kaffee plumpst, sondern auch durch den ungewöhnlichen Reim, den ich mittels Umgangssprache zurechtgebogen habe. In diesem Fall ist das ein legitimes Stilmittel, denn je größer die Überraschung am Schluss, desto treffsicherer ist die Pointe und dazu sind vor allem ausgefallene Reime beim Limerick ein bewährtes Mittel. Naheliegende Reime wie „Hase“ und „Vase“ wirken weniger stark, es sei denn, die letzte Zeile bietet inhaltlich eine echte Überraschung.
Es ist daher empfehlenswert, nicht immer den erstbesten Reim zu verwenden, der dir einfällt, sondern auch Alternativen zu probieren. Der originellere Reim sollte dabei in der letzten Zeile stehen. Ein vorhersehbarer Schlussreim schwächt dagegen die Wirkung des Limericks. Besonders wirkungsvoll sind erweiterte Reime, das sind in diesem Fall zwei hintereinander folgende Reime:
Ins Edelbordell von Bad Ockenstein,
da schleppte ein Freier die Pocken ein.
Die piekfeinen Herrn
von dem Autokonzern
werden nach dem Besuch von den Socken sein.
Hier reime ich sowohl auf „Ocken“ als auch auf „-stein“: „Pocken“ und „Socken“ auf „Ocken-“, „ein“ und „sein“ auf „-stein“. Man nennt so etwas einen „geteilten Reim“. Der große Bruder des geteilten Reims ist der Doppelreim. Die Unterschiede müssen uns aber an dieser Stelle nicht interessieren. Erweiterte Reime sind eine Technik für Fortgeschrittene und wenn es dich verwirren sollte, lies dir erst einmal das nächste Kapitel durch, in dem ich erkläre, wie Reime grundsätzlich funktionieren.
Reime dieser Art sind kaum vorhersehbar und geben dem Limerick eine besonders humorige Note im Abgang. Ich gebe zu, dass ich beim letzten Beispiel etwas gemogelt habe, da der Ort Bad Ockenstein nur in meiner Fantasie existiert. Zu meiner Ehrenrettung hier noch ein Limerick mit geteilten Reimen in der dritten und fünften Zeile und ganz realen deutschen Orten:
Ich wanderte nackt durch mein Vaterland,
vom Bodensee bis an die Waterkant.
Doch als ich durch Ulm schlich,
da wurd’ mir ganz mulmig,
weil plötzlich vor mir mein Psychiater stand.
Auch hier haben wir wieder beides: eine überraschende Wendung und einen ungewöhnlichen Reim. Wer jetzt denkt, „-mig“ reimt sich doch gar nicht auf „schlich“, das eine endet mit einem „g“, das andere mit „ch“, der sollte sich das nächste Kapitel genau durchlesen!
nur eine Kleinigkeit:
„Besonders Wirkungsvoll sind erweiterte Reime“ =>
„Besonders wirkungsvoll sind erweiterte Reime“
Vielen Dank, ich habe es korrigiert. 🙂
Hallo Jens,
hoffentlich nervt es dich nicht, wenn ich schon wieder einen Kommentar schreibe, aber die fallen ja sehr positiv aus. Ich finde es richtig und wichtig, dass du deinen Lesern die technischen Grundlagen eines Limericks erklärst.
Bei einem gelungenen Limerick . . .
. . . muss der Aufbau passen
. . . müssen die Reime und das Reimschema passen
. . . muss das Versmaß (Metrik / Betonung) passen
. . . sollte in der fünften Zeile einen überraschenden Schluss haben – Pointe.
Richtig ist aber auch, dass ein technisch einwandfreier Limerick noch lange nicht die Leute vom Hocker haut und umgekehrt, dass ein kleiner Fehler (im Reim, in der Betonung, . . . ) durch gekonnte Präsentation zum Knaller werden kann. Eine Erfolgsgarantie gibt so nicht und auch so nicht . Hier einmal ein gewollter Betonungsfehler mit überraschendem Reim:
Ganz fürchterlich schimpft Tante Frieda:
„Ja so etwas war ja noch nie da!“
Ein Sturm kam mit Krach
und weg war ihr Dach.
„Wir sind hier doch nicht Florida!“
Noch ein Betonungsfehler:
Ein Liebespaar aus Hinterzarten,
das wollt‘ mit der Liebe nicht warten.
Der Druck war so groß!
Was macht man da bloß?
Sie liebten sich schon im Vorgarten.
Viele Grüße
Joachim
Der Reim in der fünften Zeile als Pointe – eine Herausforderung für den Sprecher.
1) Eine Erfindung aus Wien
Es fuhr mal Graf Bobby aus Wien,
zu seinem Cousin nach Berlin.
Er hielt’s nicht lang aus,
fuhr wieder nach Haus‘
und sang: „Here I come – Halloween!“
2) Was reimt sich auf „Texas“?
Der Billy, ein Cowboy in Texas
in jedem Saloon stets im Eck saß.
Er war ja so schüchtern
und jederzeit nüchtern,
doch nachts war der Billy ein Sex – Ass.
3) Was reimt sich auf „Pfingsten“?
Die bildhübsche Kathi aus Kingstone
bedient in der Nachtbar seit Pfingsten.
Es nörgeln die Neider:
„Die trägt ja kaum Kleider!”
Doch mich stört das nicht im geringsten.